Mai 2020: alles andere als normal, obwohl das Unnormale allmählich schon zur neuen Normalität wird. Homeoffice lässt verblüffend wenig Zeit zum Schreiben. Wie geht es euch damit? Heute will ich jedenfalls einen Schreibrückblick auf den vergangenen Monat wagen. Ich möchte meinen Schreibprozess mit anderen Autor*innen da draußen und solchen, die es werden möchten, da draußen teilen. Ziel ist, euch zu zeigen, dass ihr nicht die einzigen seid, die kämpfen – mit der aktuellen Situation, aber auch mit dem Schreiben selbst.
Inhalt
Mein aktuelles Projekt: Nebelritter
Meinen ersten Dunkle-Ritter-Roman, „Ritter und Henker“, habe ich im Oktober 2019 abgeschlossen. Sein Nachfolger im Geiste war auch mein NaNo-Projekt 2019: Nebelritter. An diesem Projekt arbeite ich noch immer. Und es ist nicht leicht! Zum Inhalt:
Betritt niemals den Nebel allein! Diese Regel lernen die Ritter der Heiligen Stadt als erste. Denn im Nebel außerhalb der Mauern, wohin die schützende Macht der Kirche nicht reicht, leben grauenvolle, unnatürliche Bestien, die nur in der Gruppe bezwungen werden können.
Zwei verschlägt es dennoch allein in den Nebel, den verschlossenen Tibault, der der ein düsteres Geheimnis verbirgt, und den quirligen Lucien, der seinen vermissten Freund und Waffenbruder sucht. Sie müssen zusammenhalten, um dem Nebel wieder zu entkommen. Aber können sie einander tatsächlich vertrauen?
Verknüpfen der Plotfäden
Schon die ganzen letzten Monate schreibe ich an den „Nebelrittern“. Was von Januar bis April Sache war, bleibt bei diesem Beitrag außen vor. Im Mai bin ich mittlerweile am Ende von Akt drei von fünfen angekommen. Lucien und Tibault befinden sich in einer verwunschenen Stadt, schlagen sich mit zwei „Bossgegnern“ herum, und nun ist es Zeit für sie, diese Stadt wieder zu verlassen. Das bedeutete vor allem: Ich musste die vielen losen Plotfäden, die von Akt 2 noch herumflatterten, verweben und zu einem sinnvollen Abschluss bringen. Und, ich sag’s euch, jeder einzelne Plotfaden hat mir Kopfzerbrechen bereitet – magische Glocken, eine belebte Statue, Seelen-Manipulation, ein böser Kleriker, aber auch: Was ist mit der Fiedel, auf der Lucien gespielt hat, und dem Tanzlied, das er gesungen hat? Alles, was von Bedeutung war, muss wieder aufgegriffen werden – oder gestrichen.
Liebesszene unter Vorbehalt
Nach den Kämpfen hatten sich meine Figuren eine Auszeit verdient, fand ich, und zwar in Form einer Liebesszene. Nur: gar nicht so einfach, wenn man so grob mit seinen Figuren umgeht wie ich. Außerdem erzählt diese Geschichte von einer schwierigen Liebe. „Krüppelseele“ Tibault ist kaum in der Lage, seine eigenen Gefühle zu verstehen, geschweige denn, sie irgendwie in Handlung umzusetzen. Zum Glück hat er Lucien, der aber wiederum hat ein paar gebrochene Rippen. Liebesszenen zu schreiben, finde ich generell schwierig – und daher besonders reizvoll. Ich schreibe häufig von Hand vor, muss viele Formulierungen durchprobieren, um nicht abgedroschen zu schreiben. Zuletzt streiche ich dann doch oft das Meiste wieder. Und was von dieser Liebesszene übrig bleibt, wird die Zukunft zeigen.
Mit Plotloch in den Juni
Was mich im Juni erwartet, ist fast noch abenteuerlicher. Zwar weiß ich, was als Nächstes passieren wird – leider nicht genau, wie. Das ist ein Problem, das mich beim Schreiben oft verfolgt. Die Lösung heißt meistens: dranbleiben, dann zeigt sich irgendwann schon, wie sich die Handlung entwickelt. Und falls es nicht auf Anhieb gut klappt, wozu gibt es die Überarbeitung? Früher habe ich übrigens überhaupt nicht chronologisch geschrieben. Daher gab es auch keine Plotlöcher oder -Probleme. Damals habe ich einfach nur die Teile der Geschichte geschrieben, die mir einfielen, und die anderen weggelassen, bis sie mir einfielen. Auch dabei kam letzten Endes meistens etwas Sinnvolles heraus. Also werde ich nicht davor zurückschrecken, diese alte Technik wieder anzuwenden, wenn es nötig wird.
Ein Absatz, auf den ich stolz bin, und warum
Wie gesagt, mit Liebesszenen tue ich mich schwer. Ich finde es nicht leicht, die Balance zwischen einer Spur Romantik und Kitsch zu halten – und ich hasse Kitsch. In keiner Geschichte hat er etwas verloren, aber erst recht nicht in meinen ansonsten ziemlich düsteren Romanen! Mit diesem Absatz bin ich zufrieden, weil ich die Figuren endlich nach harten Kämpfen einander näher gebracht habe und mir die Formulierung sogar für meinen schwierigen Charakter Tibault passend zu sein scheint. 🙂
»Ich sollte längst wahnsinnig oder tot sein. Aber du warst da, und ich bin’s nicht.« Tibault kroch zu Lucien aufs Bett, zog die Beine an und lehnte für einen Moment den Kopf gegen seine Schulter. Noch immer jagte es ihm Angst ein, einer anderen Seele so nahe zu sein. Was, wenn ihn wieder diese Gier überkam? Lucien legte den Arm um ihn und zog ihn an sich. Er roch nach Blut und Schnee, aber sein Körper war tröstlich warm. Tibault schloss die Augen, spürte die Wärme, spürte sein Herz klopfen.
~ Nebelritter
Luciens Hand zerzauste sein Haar und strich sacht seinen Hals hinab. Die Finger folgten den Narben, die die Peitsche hinterlassen hatte. Dann hielt er inne.
»Alles in Ordnung? Du zitterst.«
Wie war euer Schreibmonat Mai?
Ich wünsche euch einen sonnigen Juni! Lasst uns gemeinsam durchhalten.
Eure Kaja
Keinen Beitrag mehr verpassen? Dann melde dich für meinen Newsletter an!
Das hört sich nach einem arbeitsreichen Monat an! Ich finde es sehr interessant, dass du nicht chronologisch schreiben musst, sondern auch einzelne Szenen aus dem Zusammenhang bearbeiten kannst.. das würde mir schwer fallen!
Auch im Juni weiter viel Erfolg und ein gutes Händchen mit dem Plotloch!
Vielen Dank für deinen Kommentar! Ich freu mich, dass du auf meiner Homepage vorbeischaust! 🙂
Ja, in einer bestimmten Phase habe ich tatsächlich ausschließlich unchronologisch geschrieben. Ich fand, dass dadurch die einzelnen Szenen sogar besser wurden, weil ich immer an der gearbeitet habe, für die mein Herz gerade am meisten schlug. Aber natürlich hatte die Vorgehensweise auch Nachteile. Es war nicht leicht zu sagen, wie die Szenen zusammenhingen. Außerdem wurden Szenen, auf die ich keine Lust hatte, dann natürlich erst sehr spät oder nie geschrieben. 😉
Es gibt wohl verschiedene „Schreibtypen“, die unterschiedlich arbeiten. Das wäre auch einmal einen eigenen Blogartikel wert.
Vielen Dank – dir auch alles Gute bei deiner Überarbeitung! Ich freue mich schon, mehr von dir zu hören.
Danke, dass du uns hier an deinem Autorenleben teilhaben lässt. Ich finde das richtig spannend und freue mich immer, wenn es mit den Nebelrittern voran geht!
Vielen lieben Dank. Deine Ermutigung und Rückmeldung bedeuten mir auch sehr viel und helfen mir dabei, stetig voranzukommen. 🙂